Forschung und Entwicklung

Strategische Ausrichtung von Forschung und Entwicklung

Im Rahmen der Strategie „KION 2027“ werden Forschung und Entwicklung so ausgerichtet, dass sie die Position der KION Group als ein weltweit führender Anbieter von integrierten, automatisierten Supply-Chain- und Mobile-Automation-Lösungen nachhaltig unterstützen. Die Schwerpunkte der F&E-Aktivitäten liegen dabei unverändert auf den Bereichen Energie, Digitalisierung und Automatisierung.

Im Kern sind die F&E-Aktivitäten marken- und regionenübergreifend ausgerichtet, was es erleichtert, Forschungsergebnisse und technologisches Know-how im gesamten Konzern auszutauschen. Darauf aufbauend erarbeiten lokale Produktentwicklungsteams für die einzelnen Konzernmarken und Regionen kundenspezifische Lösungen. Neben kontinuierlichen Innovationen, die auf die Anforderungen der Kunden ausgerichtet sind, besteht ein weiteres Ziel der F&E-Aktivitäten darin, die Komplexität und Vielfalt der Produktpalette zu reduzieren und die Entwicklungszeiten für neue Produkte zu verkürzen.

Wesentliche F&E-Kennzahlen

Im Geschäftsjahr 2021 steigerte die KION Group ihre Ausgaben für F&E auf 273,0 Mio. € (Vorjahr: 235,3 Mio. €). Bezogen auf die Umsatzerlöse entspricht dies einem Anteil von 2,7 Prozent (Vorjahr: 2,8 Prozent). Die aufwandswirksam erfassten F&E-Kosten betrugen in Summe 174,7 Mio. € (Vorjahr: 156,8 Mio. €). Zusätzlich fielen planmäßige Abschreibungen auf aktivierte Entwicklungsleistungen in Höhe von 99,9 Mio. € (Vorjahr: 97,1 Mio. €) an, die in den Umsatzkosten ausgewiesen werden (siehe Konzernanhang, Textziffer [17]).

Forschung und Entwicklung (F&E)

in Mio. €

2021

2020

Veränderung

Forschungs- und Entwicklungskosten (GuV)

174,7

156,8

11,4 %

Aktivierung von Entwicklungskosten

98,3

78,5

25,3 %

F&E-Gesamtausgaben

273,0

235,3

16,0 %

F&E-Anteil am Umsatz

2,7 %

2,8 %

Bezogen auf die Zahl der Vollzeitstellen lag die Zahl der Mitarbeiter in den F&E-Arbeitsbereichen zum Jahresende 2021 bei 1.854 – ein Anstieg um 9,0 Prozent gegenüber dem Vorjahr (1.701). Um vor Nachahmungen geschützt zu sein, verfolgt die KION Group eine dezidierte Patentstrategie. Zum Jahresende 2021 verfügten alle Unternehmen der KION Group zusammen über 2.804 Patentanmeldungen und erteilte Patente (Ende 2020: 2.836). Im Berichtsjahr wurden 81 Patente erstmals angemeldet nach 111 im Vorjahr.

F&E-Schwerpunkte im Geschäftsjahr 2021

Die im Rahmen der Strategie „KION 2027“ definierte strategische Grundausrichtung von Forschung und Entwicklung auf nachhaltige Lösungen in den Zukunftsfeldern Automatisierung, Digitalisierung sowie energieeffiziente Antriebskonzepte hat sich im Berichtszeitraum nicht verändert.

Energie

Einen Schwerpunkt im Bereich Forschung und Entwicklung bildete weiterhin die Neu- und Weiterentwicklung energieeffizienter Antriebskonzepte von Verbrennungsmotoren über verschiedene Elektroantriebe bis hin zur Brennstoffzelle. Die Technologie- und Produktpalette wurde unter anderem im Bereich der Lithium-Ionen-Batterien weiterentwickelt. In diesem Zusammenhang wurden die Leistungsstärke und Robustheit der Elektrostapler auch in höheren Traglastbereichen weiter verbessert. So erreichen die neuen Elektrostapler-Modelle Linde X20–X35 im Traglastbereich von 2,0 bis 3,5 Tonnen erstmals die Leistungsstärke und Robustheit von verbrennungsmotorischen Staplern und verbinden sie mit den Umwelt- und Effizienzvorteilen des Batteriebetriebs.

Über die im Oktober 2021 eingegangene Minderheitsbeteiligung an dem Software-Spezialisten ifesca GmbH in Ilmenau partizipiert die KION Group zudem an der Entwicklung von KI-basierten Energiemanagement-Lösungen auf Kundenseite. Im Mittelpunkt steht die Steigerung der Effizienz von Energienetzen durch Vermeidung kostenintensiver Versorgungsspitzen beim Laden von Elektrostaplern über ein sogenanntes Peak Power Management. Mithilfe von Algorithmen lassen sich Energieverfügbarkeit und -verbrauch sicher prognostizieren und optimale Ladezeiten planen.

Digital

Bei der Digitalisierung von Kundenlösungen standen Entwicklungsprojekte für digitale Lösungen im Bereich der Lagerautomatisierung im Vordergrund. Dematic führte in Kooperation mit STILL und Linde Material Handling mit dem Conveyor ConfiKIT ein Onlinetool für die Konfiguration von Fördertechniksystemen ein, das die Prozesse rund um die Angebotserstellung verschlankt. Über die App können diese nun direkt beim Kunden vor Ort aus einem Baukasten (Kit) mit standardisierten Modulen individuell konfiguriert werden. Dadurch kann Dematic Angebote künftig bis zu vier Wochen schneller realisieren.

Die VDA 5050 ist eine neue digitale Schnittstelle, mit der Fahrerlose Transportsysteme und Steuerungssoftware herstellerübergreifend untereinander kommunizieren können. Die KION Group und ihre Marke STILL haben das gemeinsame Projekt des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) und des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) begleitet und dabei ihre Expertise eingebracht. Im Berichtsjahr hat die Schnittstelle den ersten Live-Test bestanden und damit eine weitere Hürde auf dem Weg zur Marktreife genommen.

Linde Material Handling entwickelte im Berichtsjahr das neue Lagerverwaltungssystem Linde Warehouse Navigator mit dem Ziel, insbesondere kleinen und mittelgroßen Kunden den schrittweisen Einstieg in die Digitalisierung und Automatisierung unterschiedlicher Intralogistikfunktionen zu erleichtern. Die modulare Lösung, bestehend aus Lagerverwaltungs- sowie Kommissionier- und Staplerleitsystem, visualisiert das Lager inklusive der Waren dreidimensional und weist den Fahrern die schnellste Route zum Zielort. Das Bestandsmanagement bietet volle Transparenz über die Auslastung des Lagers, und eine Kommissionierfunktion unterstützt beim Zusammenstellen von Bestellungen. Die Anbindung an ERP-Systeme und automatisierte Fördertechnik ist ebenfalls möglich.

Zugleich wurden die Stapler und Routenzüge mithilfe digitaler Tools mit neuen Sicherheitsfeatures ausgestattet. Mit dem Regal-Anfahrschutz-Sensor (Rack Protection Sensor – RPS) hat Linde Material Handling ein intelligentes Lichtsensorik-Tool an den Markt gebracht, mit dem Anfahrschäden in Lagerhäusern leichter vermieden werden können. Für den horizontalen Warentransport mit Routenzügen entwickelte Linde Material Handling das cloudbasierte Leitsystem „Linde Logistics Train Controller“, das in Echtzeit auf Auftragsänderungen reagiert und die optimale Fahrtroute anpasst.

Automation

Schwerpunkt im Bereich von Automation ist die Weiterentwicklung kundenspezifischer und skalierbarer Lösungen bis hin zum vollautomatisierten Großlager.

Das im Februar 2021 abgeschlossene Forschungsprojekt „Industrielle Indoor-Lokalisierung“ (IIL) dient der vereinfachten Erhebung und Standardisierung der für die Lagerautomatisierung erforderlichen Daten über Infrastruktur und Prozesse. STILL brachte in dieses Projekt seine Expertise in Fahrzeugautomatisierung und Robotik ein.

Des Weiteren entwickelte STILL mit dem autonomen Horizontalkommissionierer OPX iGo neo ein Fahrzeug, das den Fahrer beim manuellen Picken höchst effizient unterstützt. Mit 3-D-Objekterkennung und Assistenz durch Fahreingriffe auch im manuellen Betrieb wurden die Möglichkeiten dieses Fahrzeugs weiter ausgebaut.

Dematic hat im Berichtsjahr seine Mobile-Automation-Gesamtlösungen erneut weiterentwickelt und unter anderem in einer international tätigen Handelskette zum Einsatz gebracht. Das von Software und Robotik gesteuerte System von der Warenannahme bis zur -verteilung vernetzt rund 2.200 Verkaufsstellen in einer weitgehend autonomen Anwendungsumgebung.

Die im Vorjahr vereinbarte und durch den Erwerb einer Minderheitsbeteiligung unterlegte strategische Partnerschaft mit Quicktron stellt eine bedeutende Erweiterung des Portfolios im Bereich automatisierter mobiler Roboter (AMR) sowohl für Dematic als auch die Marken Linde und STILL dar. Die Software-Schnittstellen sind standardisiert, um eine reibungslose Interaktion mit den Lagerverwaltungs- und Steuerungssystemen zu gewährleisten. Im Dezember 2021 wurde die Zulassung des nächsten Modells (M100) eingeleitet.

Innovation

Im Handlungsfeld Innovation geht es schwerpunktmäßig um die Entwicklung segmentübergreifender Technologien für den Material-Handling-Markt der Zukunft. Mit dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) gründete die KION Group im September ein gemeinsames „Enterprise Lab“ zur Weiterentwicklung des autonomen Fahrzeugschwarms „LoadRunner“ bis zur Marktreife. Zusätzlich wurde die LoadRunner-Technologie des IML von der KION Group für die internationale Nutzung lizenziert. Bei dem LoadRunner handelt es sich um eine neue Generation fahrerloser Transportfahrzeuge, die durch Verwendung KI-basierter Schwarmtechnologie eine hohe Geschwindigkeit und Sortierleistung erreichen. Im Vergleich zu klassischen Sortiersystemen können Installation, Inbetriebnahme und fortlaufende Anpassung einfacher gehandhabt werden.

Im August 2021 verständigte sich die KION Group mit dem Karlsruhe Institute of Technology (KIT) und dem STARS Lab an der University of Toronto zudem auf eine Zusammenarbeit im Forschungsprojekt „ARIBIC“ (Artificial Intelligence-Based Indoor Cartography). Ziel des Projekts ist, über die aus Fahrzeugsensoren erhobenen Daten hochauflösende 3-D-Karten des Lagerhauses als sogenannten digitalen Zwilling zu erzeugen und diese in Echtzeit für die Simulation von Routen sowie die Optimierung von Prozessen nutzbar zu machen. Die Finanzierung des Projekts wurde vom National Research Council of Canada Industrial Research Assistance Program (NRC IRAP) und dem deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) bewilligt.

Projekte im Rahmen von F&E-Kooperationen

Im Geschäftsjahr 2021 wurden zwei Konsortialprojekte abgeschlossen. Im vom deutschen Bundesministerium für Forschung und Bildung geförderten Projekt Deep-PTL wurden neuartige Verfahren der Künstlichen Intelligenz (KI) zur Verarbeitung von Bild- und Kameradaten entwickelt und in unterschiedlichen Anwendungen demonstriert. Im Rahmen des Konsortialvorhabens IIL2 entstand ein quelloffener Standard zur Umgebungsmodellierung, der am Beispiel des Anwendungsfalls Intralogistik umgesetzt wurde. Ergänzend wurde die bereits erwähnte Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik im Forschungskonzept LoadRunner abgeschlossen.

Zum Jahresende 2021 liefen drei weitere Projekte an unterschiedlichen Standorten der KION Group. Das Vorhaben KAnIS, das vom bayerischen Staat gefördert wird, befasst sich mit der Automatisierung von Gegengewichtsstaplern in verschiedensten Einsatzgebieten. Im europäischen Forschungsprojekt AWARD werden die Herausforderungen der Automatisierung von Förderfahrzeugen im Außenbereich unter schwierigen Wetterbedingungen erforscht. Das Konsortialprojekt 5Guarantee betrachtet die Einbettung von 5G in Industrie-4.0-Umgebungen. KION beabsichtigt dabei, die Echtzeitsteuerung und Lokalisierung von großen Logistikflotten unter Nutzung von 5G-Technologien zu erforschen.

Darüber hinaus wurden im Geschäftsjahr 2021 drei weitere neue Konsortialprojekte gestartet. Im Verbundvorhaben GRASS wird an neuartigen Ansätzen zum autonomen Kommissionieren im Warenlager durch Roboter geforscht. Konzepte für eine KI-gesteuerte Fabrik der Zukunft werden im Rahmen des Förderprojekts KI.FABRIK entwickelt. Zudem ist KION Industriepartner im europäischen Forschungsprojekt IMOCO4.E.