Interview mit dem Vorstand
GRI-Indikatoren
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„Nur wer vorausgeht, kann das Ziel bestimmen“
Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden der KION Group, Gordon Riske, zum Mehrwert der Intralogistik – und welche Rolle die Nachhaltigkeit dabei spielt.
Herr Riske, der Markt für Intralogistik-Produkte und Dienstleistungen wächst seit vielen Jahren überdurchschnittlich, rund eineinhalbmal so schnell wie die Weltkonjunktur. Was sind die Treiber für dieses Wachstum?
Riske: Unsere Branche wächst, weil die internationale Arbeitsteilung immer mehr voranschreitet und der weltweite Wettbewerb von jedem Unternehmen ein Maximum an Effizienz fordert. So ist ein weltweiter Markt von mittlerweile rund 150 Mrd. € entstanden. Allein in Deutschland beschäftigen die Unternehmen der Intralogistik rund 125.000 Mitarbeiter. Hier entstehen in unserer Branche jährlich Güter – also Stapler, Lagertechnikgeräte und andere Flurförderzeuge – sowie entsprechende Dienstleistungen im Wert von mehr als 20 Mrd. €.
Eine bemerkenswerte Entwicklung, denn letztlich schafft Intralogistik ja keinen Mehrwert. Der Transport eines Gutes von A nach B stellt eine betriebliche Notwendigkeit dar, die möglichst effizient zu erledigen ist. Das Gut selbst erhält dadurch keine Aufwertung.
Riske: Das sehe ich völlig anders. Unsere Branche legt seit vielen Jahren deutlich zu, was daran liegt, dass wir konkreten Mehrwert mit unseren Produkten und Lösungen bieten können. Wir sind allerdings kein klassischer Produktlieferant, sondern verstehen uns als „Enabler“, der Möglichkeiten bietet, besser, schneller sowie effizienter zu produzieren und zu liefern.
Schauen Sie einfach mal auf die vergangenen 150 Jahre der Wirtschaftsgeschichte: Seit Beginn der Industrialisierung entscheidet sich der Wettbewerb nicht nur durch das Produkt, das man produziert, sondern immer mehr auch dadurch, wie effizient man es produziert und zum Kunden bringt – und seit einigen Jahren auch, wie nachhaltig man dabei handelt.
Von der klassischen Fertigung am Band zu Zeiten von Charles Taylor und Henry Ford über Konzepte wie Kanban oder Just-in-time bis hin zur Industrie 4.0, die aktuell den Wettbewerb um die effizienteste Produktion bestimmt, nichts davon wäre möglich gewesen ohne eine leistungsfähige Intralogistik. Und wenn wir heute über künstliche Intelligenz in der Fertigung sprechen, von Maschinen, die sich künftig weitestgehend selbst steuern, dann wird auch dies nur dann Realität, wenn die Intralogistik die Grundlagen dafür schafft.
Der Grundgedanke ist jederzeit derselbe: das richtige Teil zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Je leistungsfähiger die Intralogistik, umso effizienter und kostengünstiger kann diese Aufgabe erbracht werden – und umso wettbewerbsfähiger ist das jeweilige Unternehmen.
Und wie ist die Situation im Handel?
Riske: Ganz ähnlich. Längst ist der günstigste Preis nicht mehr das alleinige Kaufkriterium. Maximale Verfügbarkeit und kürzestmögliche Lieferzeiten, teilweise innerhalb weniger Stunden, werden immer wichtiger für die Entscheidung der Konsumenten. Die Konsequenz: höchste Anforderungen an die Lager- und Kommissioniersysteme in Bezug auf Geschwindigkeit, Flexibilität und Fehlerfreiheit. Der boomende E-Commerce-Markt würde beispielsweise ohne leistungsfähige Intralogistik schnell an seine Grenzen stoßen.
Auch hier bestimmt also die Intralogistik ganz entscheidend mit, wer im Wettbewerb die Nase vorn hat. Kurz: Intralogistik ist zum zentralen Erfolgsfaktor eines jeden Industrie- oder Handelsunternehmens geworden. Das mag, rein definitorisch betrachtet, keinen Mehrwert darstellen, aber es ist entscheidend für die Zukunftsfähigkeit eines jeden Unternehmens.
Ist ein Ende dieser Entwicklung absehbar? Jeder Markt ist doch irgendwann einmal gesättigt?
Riske: Das wird so schnell wohl nicht der Fall sein, zumal wir in Märkten wie Indien oder China noch großes Potential sehen, unter anderem beim Einsatz von Staplern. Hinzu kommt: Intralogistik ist ja kein konkretes Produkt. Wir bieten Lösungen, die technologisch stets auf der Höhe der Zeit sind. Um das auch in Zukunft sicherzustellen, verfolgen wir mit unserer neuen Strategie „KION 2027“ ja auch ganz konkrete Stoßrichtungen: Automatisierung, Digitalisierung, Energieeffizienz, Innovation - verbunden mit einem klar definierten Anspruch auf maximale Leistung.
Nachhaltigkeit gehört nicht dazu …
Riske: Im Gegenteil! Allerdings ist Nachhaltigkeit in unserem Verständnis umfassend zu verstehen, prägt also unser gesamtes Handeln und lässt sich nicht in eine bestimmte Stoßrichtung pressen.
Mit dem Thema Energie – insbesondere unseren konkreten Angeboten zum energieeffizienten Einsatz unserer Produkte – haben wir wichtige Aspekte der Nachhaltigkeit bereits in unserer Produktentwicklung verankert: Ressourceneffizienz und Klimaschutz.
Für unsere Kunden zahlt sich das buchstäblich aus. Denn eine energieeffiziente Intralogistik ist die Voraussetzung für eine effiziente Produktion. Und ein Blick auf die relevanten Daten zeigt schnell die Potentiale, die sich hier für Unternehmen und Umwelt gleichermaßen ergeben.
Also Nachhaltigkeit vor allem in der Nutzung der Produkte?
Riske: Ja, natürlich, denn hier liegt der größte Hebel, den Energieverbrauch zu senken. Bei LMH EMEA haben wir das beispielhaft durch umfangreiche Lebenszyklusanalysen gezeigt: Mehr als 80 Prozent des Energieverbrauchs eines Produkts fallen in der Nutzungsphase an.
Innovationen wie etwa alternative Antriebe tragen dazu bei, diese Potentiale zu heben. So haben elektrische Antriebe bei Flurförderzeugen über einen besseren Wirkungsgrad eine deutlich höhere Energieeffizienz als Systeme mit Verbrennungsmotor. Und im modernen Lager wird rund die Hälfte der Energie für die Kommissionierung benötigt. Wer hier durch innovative Technologien zu Verbesserungen gelangt, wird nicht nur im Wettbewerb vorne sein, sondern leistet zugleich einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz.
Wirtschaftliche Vorteile verbunden mit ökologisch verantwortungsvollem Handeln, das ist unser Verständnis von Nachhaltigkeit.
Wo zeigt sich dieses Verständnis noch?
Riske: Natürlich auch in der Art und Weise, wie diese Produkte entstehen – Stichwort Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz. Auch hier tragen wir dazu bei, dass unsere Kunden ihrerseits zu nachhaltigen Prozessen gelangen und so der hohen Verantwortung gerecht werden können, die sie für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter tragen. Auch wenn eine Vielzahl von Prozessen künftig vollautomatisch ablaufen wird, der Mensch wird immer gebraucht werden. Sicherheit und Ergonomie spielen damit auch weiterhin eine wichtige Rolle. Und neben der sozialen Verantwortung darf man auch hier den ökonomischen Aspekt nicht außer Acht lassen. Denn Sicherheit im Betrieb heißt weniger Ausfälle und erst eine optimale Ergonomie bietet die maximale Effizienz in der Bedienung und führt zu einer langfristig niedrigeren Krankenrate. Auch hier gehen Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Effizienz also Hand in Hand. Übrigens ein Thema, dem wir uns auch in unserem Unternehmen sehr intensiv widmen.
Gleichzeitig führen Digitalisierung und Automatisierung dazu, dass Menschen durch Maschinen ersetzt werden …
Riske: Zunächst einmal geht es doch darum, Menschen möglichst dort einzusetzen, wo ihre Fähigkeiten gebraucht werden und maximalen Nutzen stiften können. Sie haben recht, gerade sehr einfache Tätigkeiten werden zunehmend von Maschinen übernommen. Aber das ist nicht immer gleich negativ zu sehen, denn häufig sind diese Arbeiten auch für die Mitarbeiter weder attraktiv noch besonders wertschaffend. Zugleich ergibt sich durch die hochautomatisierten Systeme eine Vielzahl neuer Aufgaben, sodass für viele Menschen auch neue, attraktive Arbeitsplätze entstehen. Am Ende wird es dadurch mehr wertschaffende Arbeitsplätze geben, als weniger attraktive wegfallen.
Es liegt an uns – den Unternehmen und der Gesellschaft –, diesen Substitutionsprozess, etwa durch adäquate Schulungen und Fortbildungen, verantwortungsvoll zu gestalten, sodass die einzelnen Mitarbeiter von negativen Effekten möglichst verschont bleiben. Der Mensch ist der Maßstab, sein Wohl muss stets im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Und das gilt für alle Veränderungsprozesse, die wir als Gesellschaft in den nächsten Jahren durchlaufen werden.
Also ein klares Bekenntnis zur unternehmerischen Verantwortung?
Riske: Absolut. Und wir sind mit dieser Sicht ja nicht allein. Auch für die meisten unserer Kunden gehört ein verantwortungsvolles, nachhaltiges Handeln ganz klar zum unternehmerischen Selbstverständnis. Ihnen gegenüber stehen wir in der Pflicht, so wie auch wir von unseren Lieferanten und Geschäftspartnern verantwortungsvolles Handeln fordern. Dieser Verpflichtung wollen wir gerecht werden und dabei die Interessen unserer Mitarbeiter, Anteilseigner, Nachbarn und letztlich der Gesellschaft als Ganzes im Blick haben. Dazu gibt es ja auch unser Nachhaltigkeitsprogramm, das wir konsequent vorantreiben. Wie bei allem, was wir tun, haben wir dabei einen klaren Führungsanspruch – denn nur wer vorausgeht, kann das Ziel bestimmen.